Franken war der braunste Fleck im Reich. Schon 1924 wählten in Coburg fast 53 Prozent die NSDAP

"Deutscher Tag" mit Adolf Hitler 1922 in Coburg (Oberfranken)

„Deutscher Tag“ mit Adolf Hitler (2. v. l.) 1922 in Coburg (Oberfranken)

Von Wolf Stegemann

Wer Jahrhunderte zurückblättert, wird feststellen, dass die Franken schon immer etwas eigensinnig durch die Geschichte gingen. Sie trotzen oft der Obrigkeit genauso wie sie sich ihr manchmal auch anschlossen. Auch die Rothenburger. Sie wurden lutherisch und blieben es trotz aller Angriffe, sie schlugen sich auf die Seite des Bauernaufstands und mussten dafür bluten. Dr. Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, ordnete auch die jüngste Geschichte, den Nationalsozialismus in Mittel- und Oberfranken, in diese Reihe ein. In einem Vortrag beim Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) in Münchberg sparte Dietzfelbinger nicht mit „unbequemen Wahrheiten“, wie die „Frankenpost“ berichtete.

Franken – gemeint ist hier aber nur Ober- und Mittelfranken – war der braunste Fleck in Deutschland. Hier sei der Nationalismus schon vor dem Ersten Weltkrieg ausgeprägt gewesen. Nach dem Krieg sei durch die Niederlage und die Versailler Verträge der Druck in der Bevölkerung so groß geworden, dass die nationale Haltung schon ab 1918, und in der „Schlüsselzeit, Anfang der 1920er-Jahre“, voll durchgeschlagen habe. Grund hierfür sei der starke Mittelstand und die konservative Einstellung der protestantischen Bevölkerung gewesen. In Unterfranken sei dies mit seiner überwiegend katholischen Bevölkerung nicht so gewesen.

Konstantin von Gebsattel, rechtsextremer und antisemitischer Politiker

Konstantin von Gebsattel, rechtsextremer und antisemitischer Politiker der völkischen Bewegung

Nürnberg war das organisatorische Zentrum der NSDAP

Franken war eine frühe Hochburg des Nationalsozialismus in Deutschland.  1922 gründete „Franken-Führer“ Julius Streicher in Nürnberg eine Ortsgruppe der NSDAP. Rasch entstanden Ortsgruppen in Lichtenfels, Bayreuth, Kulmbach, Coburg, Schillingsfürst und Rothenburg. Schon Ende 1922 gab es mehrere Tausend Parteimitglieder. Julius Streicher, Hans Schemm, Gauleiter Oberfranken, und SA-Gausturmführer Wilhelm Stegmann, ein „brauner Terrorist“ in Schillingsfürst, waren die ersten Statthalter der Nazis. Vor allem in der Zeit nach dem Hitler-Putsch von 1923, als die NSDAP verboten war, fanden die Nazis bei den „völkischen Bewegungen“, etwa beim „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“, Unterschlupf und konnten – besonders in Coburg, aber auch in Nürnberg – bei „Deutschen Tagen“ ihr völkisches Gedankengut verbreiten. Der Besitzer des Schlosses in Gebsattel, unweit von Rothenburg war Konstantin Freiherr von Gebsattel, seit 1919 geheimer Vorsitzender des antisemitischen „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes.“
Besonders Coburg war eine Hochburg. Bei der Landtagswahl 1924 erreichte der „Rechtsvölkische Block“ hier fast 53 Prozent. Treibende Kräfte des Nationalsozialismus und des Antisemitismus seien in Nordbayern die Pfarrer und Lehrer gewesen. „Nürnberg war die antisemitischste Stadt in Europa.“ Vor 1933 emigrierten hier schon über 3.000 Juden, weil sie es in der Stadt nicht mehr aushielten. Selbst während des Verbots der NSDAP von 1923 bis 1925 konnte sich in Nürnberg der braune Sumpf noch weiter ausbreiten. Grund war die Ernennung von Heinrich Gareis, einem Deutsch-Nationalen, zum Leiter der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth. Die Stadt entwickelte sich zum organisatorischen Zentrum der NS-Bewegung in Franken.

 Zeitschrift "Israelit" vom 28. Februar 1929: Erlanger Uni schon antisemitisch

Zeitschrift „Israelit“ vom 28. Februar 1929: Erlanger Uni schon antisemitisch

Braune Uni Erlangen: Schon vor 1933 keine Juden zugelassen

Wie „braun“ Franken lange vor 1933 war, zeigt auch der Rückgang der jüdischen Bevölkerung zwischen 1925 und 1933 um 15 Prozent. 2.500 Juden, davon allein 1.100 in Nürnberg, verließen Franken, wo Julius Streicher mit seinem unsäglichem Hetzblatt „Der Stürmer“ dem Antisemitismus den Boden bereitete. Bereits 1929 wurde in Hof die Synagoge angegriffen und es wurden die Fenster der Judenwohnungen eingeschlagen. Im selben Jahr sprach Hitler auf dem Döbraberg. Noch schlimmer sei es in Coburg gewesen, so der Historiker Dietzfelbinger, hier konnte die SPD schon 1931 nicht mehr auftreten. Durch die Weltwirtschaftskrise brach sich die Radikalisierung überall Bahn. Erlangen wurde zur braunsten Universität in Deutschland, und Juden wurden noch vor 1933 nicht mehr zum Studium zugelassen, was einen eindeutigen Verfassungsbruch darstellte. Mehr als 150 Promovierten wurde der Doktorgrad unrechtmäßig aberkannt. Nur vier von ihnen erhielten in der Nachkriegszeit ihre Titel zurück. Die anderen Betroffenen waren verstorben. Die vier hatten sich selbst gemeldet. Ein aktives Entgegenkommen der Universität den Opfern gegenüber gab es auch nach dem Krieg nicht (Prof. jur. Bernd Mertens am 6. März 2010 in „Erlanger Nachrichten“).

NSDAP-Parteitag Nürnberg 1933 mit Julius Streicher und Baldur von Schirach

NSDAP-Parteitag Nürnberg 1933 mit Julius Streicher und Baldur von Schirach

„Jedes Dorf wurde beackert“

Seit 1927 wurden in Nürnberg die NSDAP-Reichsparteitage abgehalten, und die Stadt war ab 1933 auch offiziell die „Stadt der Reichsparteitage“ – als Dank für die „Brücke“ zwischen München, wo sich Gründung und Aufstieg des Nationalsozialismus vollzog, und Berlin mit der Reichskanzlei. Innerhalb von anderthalb Jahren überzogen die Nationalsozialisten Franken mit 2.000 Veranstaltungen. „Jedes Dorf wurde beackert.“ Die totale Propaganda sei das A und O gewesen. So zogen die Reichsparteitage über eine Million Besucher an und zu den Frankentagen auf dem Hesselberg seien über 100.000 Besucher gekommen. Man verführte die Menschen mit Melodien von Kirchenliedern, die jedoch einen anderen Text bekamen.

Außerdem hatten die Menschen Arbeit und damit „Lohn und Brot“. Dass diese Arbeit aber der Kriegsvorbereitung diente, merkte niemand. Das deutsche Volk sollte ein lebendiger Körper sein, mit Hitler als Kopf und der „Volksgemeinschaft“ als Körper. Die „Krankheiten“ – Juden, Zigeuner oder Asoziale – sollten „ausgemerzt“ werden.

Ganz besonderes Ansehen genossen im NS-Reich die fränkischen Städte. Bamberg wurde zur Stadt des BDM (Bund Deutscher Mädel), in Dinkelsbühl und vor allem in Rothenburg war KdF (Kraft durch Freude) zu Hause, Rothenburg wurde zusätzlich die Vorzeigestadt der Nationalsozialisten, Bayreuth war die nationale Weihestätte und Coburg hatte sowieso einen besonderen Mythos inne, was auch mit dem „Coburger Abzeichen“ ausgedrückt wurde.

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Quellen: Friedrich J. Bröder im „Donaukurier“ vom  29. März 2006. – H. E. in „Frankenpost“ vom 8. November 2008
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